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    In Memoriam – Helmut Hauptmeier mit Traueranzeigen, Bildern und Nachrufe

    Traueranzeigen

    In tiefer Trauer nehmen wir Abschied von

    Dr. Helmut Hauptmeier

    der am 1. Februar 2023 im Alter von 66 Jahren gestorben ist.

    Helmut Hauptmeier war in der renommierten Siegener Medienforschung groß geworden. Nach Dozententätigkeiten an anderen Universitäten hatte er sehr früh die Potentiale universitären Engagements in der Hochschulregion erkannt. Schon vor 20 Jahren versuchte er als Geschäftsführer der Fortbildungsakademie Medien (FAM) die Brücke zwischen Medienforschung und regionalen Digitalisierungsbedarfen zu schließen.
    Nach seiner Rückkehr an die Universität hat er die Weiterentwicklung des Instituts für Medienforschung (IfM) zur School of Media and Information (iSchool) wesentlich mitgestaltet. Als deren Geschäftsführer hat er eine eigene Forschungsagenda aufgebaut und die Universität Siegen in den Gremien der internationalen iSchool-Organisation vertreten. Ihn interessierten regionale Problemlagen ebenso wie internationale wissenschaftliche Herausforderungen, beispielsweise positionierte er die Universität Siegen in der Medienwirkungsforschung in Afghanistan und der Gestaltung von Lokalisationstechnologien zur Mediation von Konflikten zwischen Löwen und Viehzüchtern im Okavango-Nationalpark in Botswana.
    Sein protestantisches Arbeitsethos, seine Intelligenz und sein hochschulpolitisches Geschick sind uns in den letzten drei Jahren auch im Prorektorat Digitales und Regionales sehr zu Gute gekommen. Helmut hatte die Gabe, in Gesprächen und auch in seiner Lehre politische, geschichtliche und
    philosophische Gedankengänge mühelos mit unserer wissenschaftlichen Forschung zu verbinden. Studentinnen und Studenten waren fasziniert von seinem Charisma, alerten Geist, seiner Begeisterungsfähigkeit und seiner Gabe komplexe Lehrinhalte lebendig zu vermitteln. Er hat dabei nicht nur als Wissenschaftler, sondern eben auch als Mensch authentisch gewirkt.
    Wir verlieren mit ihm einen klugen Kopf, loyalen Weggefährten und engen Freund. Unser tiefstes Mitgefühl gilt seiner Gattin, Sandra Fenkl, seinem Sohn Francisco, seinen Angehörigen und seinen Freund:innen.

    Universität Siegen

    Prorektorat für Digitales und Regionales

    Seminar für Medienwissenschaft

    School of Media and Information (iSchool)

    Konstantin und Tanja Aal, Merle Berg, Felix Carros, Marco Durissini, Jacqueline Gräf, Rita Grinko, Marc Gebracht, Sonja Heinemann, Martin Hill, Dagmar Hoffmann, Kathrin Hoffmann, Sven Hoffmann, Jens Jacobs, Raimund Klauser, Nathanael Klein, Julia Krämer, Marietta Krenzer-Gräb, Muhamed Kudic, Sabine Löw, Thomas Ludwig, Marios Mouratidis, Claudia Müller, Jenny Novak, Susanne Padberg, Volkmar Pipek, Markus Rohde, Sarah Rüller, Gebhard Rusch, Walter Schäfer, Helmut Schanze, Ralf Schnell, Gunnar Stevens, Sebastian Taugerbeck, Tristan Thielmann, David Unbehaun, Anne Weibert, Rainer Wieching, Timm Wunderlich und Volker Wulf

    Bilder

    Nachrufe:

    Es fällt mir schwer, die richtigen Worte für meinen Nachruf an einen so besonderen Freund wie dich zu finden. Wir beide haben viele gemeinsame Abenteuer erlebt.

    Ich erinnere mich noch gut an die vielen Stunden, die wir gemeinsam mit Pokémon GO verbracht haben. Wir haben uns gegenseitig motiviert, unsere Sammlungen zu vervollständigen und haben uns über unsere neuesten Erfolge ausgetauscht. Es war eine Zeit voller Spaß und Freude, die ich niemals vergessen werde.

    Aber du warst nicht nur ein „Spielgefährte“, sondern auch ein Gesprächspartner, der immer bereit war, mit mir über Gott und die Welt zu diskutieren. Deine tiefsinnigen Gedanken und Ansichten haben mich oft inspiriert und zum Nachdenken angeregt. Auch konntest du mir immer spannende Sachen erklären, die ich gerade gelesen habe. Das habe ich stets als eine Bereicherung empfunden.

    Und dann war da noch unsere gemeinsame Forschung in Botswana. Wir haben zusammen hart gearbeitet, um die Projektziele zu erreichen, aber es war auch eine Zeit voller unvergesslicher Erlebnisse und Abenteuer. Wir haben die Kultur und die Menschen des Landes kennengelernt und unsere eigenen Grenzen ausgelotet.

    Auch werde ich unsere gemeinsamen Mittagessen in der Nudelbar vermissen. Wir waren so oft da, dass du nur „das Übliche“ sagen musstest und alle wussten Bescheid. Wir hatten großartige Gespräche oder haben entspannt einfach Zeit miteinander verbracht. Ich habe beides genossen.

    Es ist schwer zu akzeptieren, dass du von uns gegangen bist, besonders weil du doch zu jung warst, körperlich und mental. Aber ich denke daran, wie du während deiner Krankheit gekämpft hast und wie du bis zum Schluss stark geblieben bist. Dein Kampfgeist und deine Zuversicht haben mich zutiefst beeindruckt und werden immer ein Teil von mir sein.

    Ich werde dich vermissen, mein Freund. Du hast in meinem Leben eine unvergessliche Spur hinterlassen, die für immer in meinem Herzen bleiben wird. Ruhe in Frieden und ich hoffe, dass du jetzt an einem Ort bist, an dem es keinen Schmerz und kein Leid gibt.

    Lieber Helmut,
    wie gerne würde ich dich noch einmal im Büro besuchen, während du über einer Bachelorarbeit oder einem Strategiepapier brütest, mit „Dumela rra!“ begrüßen, wie man es in Botswana macht, und fragen, ob du Lust auf einen Kaffee hast.
    Zu einem guten Espresso, einem schmackhaften Essen und einer hochwertigen Zigarre konntest du nie Nein sagen. Du warst sowohl ein leidenschaftlicher Koch als auch ein begabter Genießer. Beides ging sogar mit der kargen Küchenausstattung in der Sausage Tree Lodge. Bei einem „Savanna“ konnten wir am besten die halbe Nacht hindurch über Gott und die Welt reden. Bei einer Platte von Iron Maiden am besten im Jeep durch das Okavango-Delta brettern.
    Dir war sehr daran gelegen, Schönheit zu erfahren und zu erhalten: der Natur, der Wissenschaft und der Lehre. Dabei war dir klar, dass man hier nur mit Entschlossenheit vorangehen kann, und du hast kein Blatt vor den Mund genommen. Auch nicht, als du kaum in Rente warst und deine Krankheit ausbrach. Damals hast du zu mir gesagt: „Ich hatte schon ein gutes Leben“. Aber konnte es denn nicht länger sein?
    Du warst auch ein Hundeliebhaber. In Botswana haben wir zwei Streuner „adoptiert“ und als Rentner wolltest du eine Bulldogge an deiner Seite haben, so wie die auf dem Poster in deinem Büro.
    Viele Pläne, die leider nicht Wirklichkeit werden durften. Doch einen möchte ich noch umsetzen: das Buch über das Leben von James (007), unserem Field Guide aus Eretsha mit den vielen Geschichten, das wir entworfen haben, zu schreiben.
    Wir werden dich sehr vermissen, lieber Helmut. Und das, was du mit deiner Begeisterung, Neugier, Intelligenz, deinem Geschick und Humor aufgebaut hast, weiterführen. Erra!

    HH, Kollege und Freund
    HH steht für Helmut Hauptmeier. Das war sein Kürzel, manchmal wurde er sogar so benannt: „HH hat angerufen.“
    Vor knapp 40 Jahren bin ich ihm zum ersten Mal begegnet. Mit zwei Kollegen kam ich von einem Forschungsinstitut des Landes NRW in Paderborn nach Siegen, er war schon da. Im bald darauf als Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung gegründeten LUMIS-Institut – Literatur- und Medienforschung in Siegen – trafen wir uns in den regelmäßigen, wöchentlichen Arbeitssitzungen des Instituts. Konstruktivismus - sowieso, Vorbereitung des Sonderforschungsbereichs zur Fernsehgeschichte, dann auch Durchführung der von LUMIS-Kolleginnen und Kollegen betreuten Forschungsprojekte, usf. – es gab viel auszudenken, zu diskutieren und konkret zu planen. Darüber hinaus hatten Helmut und ich noch nicht so sehr viel miteinander zu tun, jedenfalls nicht in gemeinsamen Projekten.
    Allerdings trafen wir uns immer wieder mal separat, berieten uns gegenseitig zum Beispiel zu Fragen der empirischen Forschungspraxis, feilten u.a. an Formulierungen von Befragungsinstrumenten und Auswertungswegen herum. Helmut war überhaupt nicht beratungsresistent, was ich zunehmend an ihm zu schätzen wusste. Und ich lernte viel von ihm. Erst ab 2000 – bis zum meinem Eintritt in den Ruhestand Ende 2008 – arbeiteten wir intensiv in Lehrveranstaltungen zusammen, betreuten Examensarbeiten, unterstützen uns gegenseitig insbesondere bei der Durchführung von Projekten mit und für Studierende: Eine besondere Herausforderung war 2003 bis 2004 die Konzeption und Produktion eines Filmes für Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising des Kinderhospizes Balthasar in Olpe, das sich nicht lange darauf auch für Jugendliche öffnete. Damit war der Film nicht mehr aktuell, die eindringlichen Erfahrungen konnte den Studierenden und uns niemand mehr nehmen.
    Ein durchaus wichtiger Teil unserer Zusammenarbeit waren unsere häufigen abendlichen Treffen in einem Restaurant in der Siegener Oberstadt. Das wurde früher chinesisch bekocht, später indisch. Dort erholten wir uns von so manchem Prüfungsmarathon, planten Lehrveranstaltungen, entwickelten Projektideen, tauschten allerhand Beobachtungen und Kritik aus, aber auch Privates. Ich musste ihn erst darum bitten, dann zeigte er mir eines der ersten Fotos seines Sohnes. Er war so stolz auf ihn! Und gerne brachte er mich dann mit dem Porsche in die Nähe meiner Wohnung, den kleinen gewissen Schalter umgelegt, damit es – TÜV-abgesegnet – ein wenig röhrte, wenn er Gas gab. Das machte den zwei Freunden Freude.

    Raimund Klauser.

    Lieber Helmut,
    Ich kann nicht mehr erinnern, wie häufig wir uns hier getroffen haben vor der Tür auf eine Zigarette oder einen Zigarillo. Und auch an anderen Orten woauchimmer, während Konferenzen oder Meetings, immer vor der Tür, bei Wind und Wetter. Meistens zufällig. Aber manchmal auch gemeinsam ein Meeting verlassend für eine kurze Pause.
    Ich kann nicht mehr erinnern, wie viele Leute wir dort auch getroffen haben. Meistens zufällig, aber manchmal sind sie auch bewusst zu uns gestoßen. Es waren immer nur diese 10 Minuten-Gespräche, aber ich bin selten ohne eine neue Idee, eine neue Einsicht, einen neuen Impuls da raus gegangen.
    Ich kann nicht mehr erinnern, wie viele längere und tiefgründigere Gespräche wir geführt haben über die Jahre. Und über wie viele Themen, die weit über unsere konkrete Forschungsarbeit hinausgingen. Technik, deren soziale Auswirkungen, klar, das war unser Job. Philosophie, Erkenntnistheorie, Ideologie, Religion, Politik. Reisen, die Welt und Welten, wir konnten über alles sprechen und Du hattest immer etwas Inspirierendes dazu zu sagen.
    Woran ich mich erinnere, ist, dass ich eigentlich stets etwas lernen konnte aus unseren Gesprächen. Und das auch deswegen, weil Du es wie kaum ein anderer verstanden hast, intellektuelle Einsicht mit persönlicher Erfahrung zu verbinden. Das hat Dich für mich extrem authentisch und glaubwürdig gemacht und ich weiß, dass es vielen Deiner Studierenden mit Dir als Lehrer genauso ergangen ist. Ein Mann, der nicht nur spricht, sondern ein Mann, der weiß wovon er spricht. Das gibt es nicht so häufig. Auch nicht in der Wissenschaft.
    Woran ich mich auch erinnere, ist, dass wir über die Jahre nicht immer einer Meinung waren. Aber dass Du jemand bist, der Widersprüche aushalten kann. Ich erinnere mich jedoch nicht daran, dass wir jemals im Streit auseinander gegangen sind. Deine Offenheit für Dialog, Deine Toleranz und auch Deinen Respekt für andere Meinungen habe ich als beispielhaft erlebt, sowohl in der wissenschaftlichen Diskussion als auch im zwischenmenschlichen Gespräch.
    Nie vergessen werde ich neben Deinem gesunden Menschenverstand Deinen ausgeprägten Humor und die Menschlichkeit, mit der Du den modernen Wissenschaftsbetrieb im Alltag deutlich erträglicher gemacht hast.
    Helmut, unsere (un-) regelmäßigen Treffen werden mir fehlen. Und ich bin sicher, vielen Deiner Studierenden und den Kolleg:innen wird es genauso gehen. Aber für mich bist Du nach wie vor hier und bleibst eine Inspiration, wann immer ich vor der Tür stehe, woauchimmer, in Wind und Wetter.
    Danke Dir, Markus

    Lieber Helmut,
    wir haben uns zu meiner Studienzeit an der medienwissenschaftlichen Fakultät der Universität Siegen kennengelernt. Ich kann mich noch sehr genau an das erste Seminar, dass ich bei Dir belegt hatte, erinnern - Medienwirkungsforschung. Ich war so begeistert davon, dass ich es mit einer 1,0 abschloss und Dich nach einer Stelle am Institut für Medienforschung (später: iSchool) fragte. Du hattest mich in Dein altes Büro am Adolf Reichwein Campus eingeladen und ich erinnere mich an Deine ersten Worte als ich an der Bürotür klopfte - Keine Sorge, Sie haben den Job. Lassen Sie uns alles weitere bei einer Zigarette besprechen. Für die vier schönen und lehrreichen Jahre am Institut für Medienforschung danke ich Dir sehr, lieber Helmut.

    Du warst ein sehr beliebter Dozent bei den Studierenden. Konntest komplexe, teils sehr theoretische Sachverhalte verständlich erklären. Witzig und wortgewandt wusstest Du mit all den verschiedenen Charakteren unter den Studierenden umzugehen. Für Deine positive, lebensfrohe und authentische Art haben Dich die Menschen sehr geschätzt.

    Bei all unseren Gesprächen war ich stets beeindruckt wie durchdacht, präzise und motivierend Deine Gedanken und Ideen sind. Ich erinnere mich gerne an unsere Diskussionen während meiner Bachelor- und Masterarbeit - Du hast meine Ideen stets kritisch hinterfragt, und konntest mein Vorhaben dadurch geschickt in die richtige Richtung lenken.

    Diese Momente des Zuhörens haben mich sehr geprägt, weit über den Hochschulbetrieb hinaus.

    Ich danke Dir sehr, lieber Helmut, für die Betreuung meiner Abschlussarbeiten und für all die inspirierenden, motivierenden Gespräche, die ich mit Dir führend durfte.

    Auch nach meiner Hochschulzeit war es immer schön Dich am unteren Campus zu besuchen, und bei einem Kaffee über damals und heute zu plaudern. Meist war ich überpünktlich und wartete noch vor Deinem Büro, bis Du irgendwann eintrudeln würdest. Es war immer schön den Austausch mit Dir zu pflegen und uns gegenseitig über neue Projekte auf dem Laufenden zu halten.

    Zu erfahren, dass wir uns in diesem Jahr nicht mehr sehen würden, hat mich sehr ergriffen.

    Ruhe in Frieden mein Freund. Ich hoffe Dir geht es gut, da wo Du jetzt bist.

    Ein Nachruf:
    Helmut Hauptmeier war bereits zur Gründungszeit des SFB 240 ‚Bildschirmmedien‘ Mitarbeiter von Siegfried J. Schmidt und war auch unter denen, die ich bei meinem Wechsel nach Siegen im damaligen LUMIS-Institut begrüßen durfte. Er gehörte mit Gebhard Rusch zu den wiss. Mitarbeitern des Leitprojekts A 1 „Mediengattungstheorie Fernsehen“ des SFB 240. Er war maßgeblich an der Projektarbeit seit der ersten Arbeitsphase, insbesondere bei der Konzeption und Anwendung der Erhebungsinstrumente des Projekts und bei der Exploration von Gattungsschemata beteiligt. Wenn ich mich noch recht erinnere, gehörten zu diesem Projekt so aktuelle Erhebungen wie eine Kindergartenstudie zum Fernsehverhalten.
    Seine beiden einschlägigen Publikationen von 1987 in den Zeitschriften „Poetics“ und „SPIEL“ zur Theorie der Fernsehgenres und zur Frage von „Typologie“ oder „Klassifikation“ gehörten zu den fortwirkenden Beiträgen einer empirisch fundierten Medienwissenschaft, die nicht zuletzt zur internationalen Sichtbarkeit dieses damals beispiellosen Großprojekts der kooperativen Forschung beigetragen haben. Dass dieses Projekt es auf eine außergewöhnlich Dauer von 15 Jahre brachte, ist auch seinem persönlichen Einsatz und auch seinen internationalen Kontakten zu verdanken. Er war mir, und allen, die mit ihm zusammenarbeiten dürften, über ein gutes Menschenalter auch persönlich ein hoch geschätzter Mitarbeiter und Kollege.

    Helmut Schanze

    Ich habe Helmut Hauptmeier nur einige wenige Male persönlich getroffen, stets zu dienstlichen Anlässen, die mit Zukunftsfragen der Universität Siegen zu tun hatten. Ich habe ihn bei allen diesen Gelegenheiten als einen ebenso aufmerksamen wie kompetenten, ebenso freundlichen wie engagierten Menschen wahrgenommen. Diese wenigen Male der Zusammenarbeit mit ihm waren eine Freude für mich. Sein Tod hinterlässt eine Lücke, die nicht zu schießen ist.

    Univ.-Prof. em. Dr. Ralf Schnell
    Ehemaliger Rektor der Universität Siegen

    Das Hauptmeierprinzip

    Wir kannten uns durch das Team Medienwissenschaft, das immer ein bunter Haufen mit vielen Perspektiven und Interessen war, die nicht immer zur Deckung kamen. Mit Helmut Hauptmeier war es immer angenehm, denn offensichtlich war er mit seinem Leben zufrieden und ging davon aus, daß es andere Leute ebenso halten sollten. Das fand ich gut, und daher unterhielten wir uns nur ganz pragmatisch über Angelegenheiten des Teams und ansonsten über philosophische Themen, aber im Handformat. Einmal kamen wir auf das Thema der Abschaffung des freien Willens, die ein mit ihm gut bekannter Hirnforscher in die Welt gesetzt hatte, als er durch einen psychologisch-neurologischen Test nachweisen konnte, daß der Entschluss zu einer Handlung immer schon eine Sekunde gefasst worden war, bevor die Probanden den Entschluss artikulieren oder sich und anderen bewusst machen konnten. Einige Monate später wurde die Abschaffung des freien Willens allerdings schon wieder zurückgenommen, weil man bei Autofahr-Simulationen herausfand, dass die Reaktionsgeschwindigkeit ausreichte, um das Argument zu entkräften. Helmut Hauptmeier erzählte, daß ihm die Evidenz ohnehin nicht eingeleuchtet habe, weil Rennfahrer noch einmal eine sehr viel kürzere Reakionsgeschwindigkeit hätten, die man auch in Filmaufnahmen des Starts von Autorennen nachmessen könne. Wenn es in solchen Situationen keinen freien Willen mehr gäbe, würde jeder entsprechende Start im Karambolage-Chaos enden. Das kann bekanntlich passieren, aber ist dann doch nicht der Regelfall. Zu Ehren von Helmut Hauptmeier nenne ich diesen Zusammenhang "das Hauptmeierprinzip". Es besagt, daß auch unsere Thesen über die Funktionsweisen des Gehirns (oder des Geistes, oder unserer Apparate und Medien) so aufgestellt werden müssen, daß Autorennen und vor allem ihre chaotische Anfangsphase möglich bleiben. Denn schließlich sind sie möglich. Wenn ich mich recht erinnere, hatte der Freie Wille in der Reaktionsgeschwindigkeit von Rennfahrern noch zwei Mal so viel Platz, als bei seiner Abschaffung erwartet wurde, unter anderem deshalb, weil man Bewegungen aus den Augenwinkeln noch dynamischer wahrnimmt als von vorne. Vielleicht ist es auch für grosse Theorien besser, sie nur aus den Augenwinkeln wahrzunehmen, um mit ihnen auf der kurzen Piste ihrer Start-Ziel-Landung nicht zu kollidieren. Aber ich merke schon, und zwar wie immer eine Sekunde zu spät, daß meine satirische Ader durchbricht, die Helmut im übrigen durchaus zu goutieren wusste. Ich reisse das Ruder daher noch einmal rum und sage nur noch: Cheerio, Helmut. Es war gut Dich zu treffen.

    ERHARD SCHÜTTPELZ

    Bonn und Siegen, 04.02.2023

    Lieber Helmut,
    es ist so traurig: Du nicht mehr bei uns! Wir vermissen Dich als Kollegen, engen Wegbegleiter und Freund. Die letzten 15 Jahre haben wir sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet. Du bist in der renommierten Siegener Medienforschung groß geworden – im Umfeld S.J. Schmidts. Nach Ausflügen und Dozententätigkeiten an andere Universitäten, u.a. auch in Osnabrück, hat Du schon sehr früh die Potentiale universitären Engagements in der Region erkannt. Als Geschäftsführer der Fortbildungsakademie Medien (FAM) hast Du schon vor 20 Jahren versucht, die Brücke zwischen Medienforschung und regionalen Digitalisierungsbedarfen zu schließen – und dies bevor der Digitalisierungsbegriff in aller Munde war.
    Nach Deiner Rückkehr an die Universität Siegen hast Du die Entwicklung des Instituts für Medienforschung (IfM) in der School of Media and Information (iSchool) wesentlich mitgestaltet. Als deren Geschäftsführer hast Du eine eigene Forschungsagenda aufgebaut und uns in den Gremien der internationalen iSchool-Organisation vertreten. Dich interessierten regionale Problemlagen ebenso wie internationale Herausforderungen. Legendär (und hochschulpolitisch durchaus umstritten) war Dein mehrmonatiger Einsatz in Afghanistan, um für die Bundeswehr die Wirkung ihrer Medienproduktion auf die politische Haltung der Bevölkerung im ländlichen Raum zu untersuchen. In Botswana hast Du zusammen mit Konstantin, Rita und Tanja untersucht, inwiefern moderne Lokalisationstechnologien bei den Konflikten zwischen Löwen und Viehzüchtern am Rande des Okawango Nationalparks vermitteln können. Legendär sind Deine Jeepfahrten im Untersuchungsfeld und deren administrative Spuren in unserer Universitätsverwaltung. Dich interessierte aber nicht nur die Nutzung von Lokalisierungstechnologien im südlichen Afrika, sondern Du hast auch versucht, diese Anwendungen für den politisch hochbrisanten Umgang mit einer Herde von Wisenten in unseren heimischen Wäldern ins Spiel zu bringen.
    Dein protestantisches Arbeitsethos, Deine Intelligenz und Dein hochschulpolitisches Verständnis und Geschick sind mir in den letzten drei Jahren im Prorektorat Digitales und Regionales sehr zugute gekommen. Ohne Deine Unterstützung wäre ich in den Untiefen unseres Digitalisierungsgeschehens versunken.
    Lieber Helmut, seit ich zusammen mit Konstantin an Deinem Krankbett gestanden – Du warst bereits ins künstliche Koma versetzt – und zwei Tage später von Deinem Tod erfahren habe, haben wir Tränen vergossen, in freundschaftlicher Erinnerung an Dich. Deine Klugheit, Deine Loyalität und Dein Engagement für unsere Gruppe und für eine bessere Welt werden uns in Erinnerung bleiben … so sehr!
    Du hast mich bis zuletzt persönlich sehr gerührt, als Du an jenem Tag, als Du ins künstliche Koma versetzt wurdest, noch nach mir gefragt hast ……. wir sind leider einen Tag zu spät an Dein Sterbebett gekommen ….. um uns von Dir zu verabschieden ….. so traurig …..
    Wir gedenken Deiner!
    Volker